Am 19. Mai wurde in unserer Gemeinde die Lage in Bayern in Bezug auf Antisemitismus mit den Vertretern der neugegründeten Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern besprochen: der Leiterin der Stelle Frau Dr. Annette Seidel-Arpaci und ihrem Mitarbeiter Nikolai Schreiter.
Während früher der Geist des Kommunismus durch Europa wanderte, ist es jetzt der Geist des Antisemitismus. Doch während der Kommunismus in den westlichen Ländern seit langem keine Chance mehr hat, zu einer bedeutenden politischen Macht zu werden, gewinnt der Antisemitismus, der – man könnte meinen – in die dunkelsten Ecken der westeuropäischen Politik gedrängt wurde nun wieder seine verlorenen Positionen zurück.
Davon zeugt die Kriminalstatistik der westeuropäischen Länder, die einen steilen Anstieg an Verbrechen aus Hass gegenüber Juden zeigt. So zum Beispiel in Frankreich stieg die Zahl der registrierten Akte von Antisemitismus im Jahre 2018 um 74 % im Vergleich zum Vorjahr. Auch in Deutschland ist die Zahl solcher Vorkommnisse gestiegen. Alleine in Bayern wurden im letzten Jahr 219 antisemitische Vorfälle registriert (im Vergleich: 2017 waren es 148). Man kann aus folgenden Gründen vermuten, dass die Zahl der von der polizeilichen Statistik nicht erfassten Fälle diese Zahl um ein Vielfaches übersteigt: verbale und tätliche antisemitische Aktionen, die kein Verbrechen darstellen, werden in den meisten Fällen überhaupt nicht erfasst; die Opfer werden häufig mit kalter und unfreundlicher Reaktion konfrontiert und ziehen es vor, über das, was passiert ist, zu schweigen.
Immer häufiger kann man mit Hakenkreuzen beschmierte jüdische Grabsteine und Aufschriften auf Denkmälern «Juden raus» beobachten. Heutzutage werden in deutschen Schulen Wörter wie „Jude“ und „Opfer“ von den Schülern als Schimpfwörter benutzt, um ihre jüdischen Mitschüler zu malträtieren. Der Hass in den Schulen findet seine Ausprägung nicht nur in verbalen, sondern auch in körperlichen Angriffen seitens der Schüler – der muslimischen Flüchtlinge, die in den letzten Jahren aus islamistischen Ländern gekommen sind und mit der Muttermilch den Hass gegenüber Juden eingesaugt haben. In vielen deutschen Städten finden massenhafte palästinensische Demonstrationen und Märsche der in Deutschland lebenden Muslime statt. Bei diesen Märschen tragen hasserfüllte Demonstranten Banner und schreien Beleidigungen und antijüdische Parolen mit einem zerstörerischen Inhalt: „Euch hätte man vergasen sollen“, «Israel vergasen!», «Ihr Juden seid Bestien!», «Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein!»
Heutzutage sind das Internet und die sozialen Netzwerke die Hauptplattform nicht nur für die öffentliche Meinungsbildung und die Verbreitung von Informationen, sondern auch für die Verbreitung von Antisemitismus. So bekommen via Twitter und Facebook erfolgte Aufrufe, gegen den Antisemitismus zu kämpfen innerhalb weniger Stunden Tausende von antisemitischen Äußerungen, Kommentare als Text, Bilder und Videos. In ihrer Studie stellen die Wissenschaftler der Technischen Universität in Berlin fest, dass im Zeitraum 2007 – 2018 die Zahl antisemitischer Kommentare (und somit die Verbreitung des Antisemitismus) im Internet sich verdreifacht hat!
Im vergangenen Jahr schloss sich Bayern der Initiative der Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt an, die bereits zuvor Stellen zur Bekämpfung von Antisemitismus in ihren Ländern eingerichtet haben. Die Aufgaben des „Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe“ wurden im Mai 2018 Herrn Dr. Ludwig Spaenle übertragen, dem ehemaligen bayerischen Minister für Bildung, Wissenschaft und Kunst.
Die Bayerische Stelle zur Bekämpfung von Antisemitismus wird vom Sozialministerium Bayerns finanziert. RIAS Bayern ist eine unabhängige Einrichtung und versteht sich als parteilich für Betroffene von Antisemitismus. RIAS-Angebot aktuell umfasst: Fixierung und Dokumentation der in Bayern geschehenen Akte von Antisemitismus, auch der Vorfälle, die von den Betroffenen nicht der Polizei gemeldet wurden und solcher, die gesetzlich nicht verfolgt werden; Beratungsleistungen (juristisch wie psychologisch) für Opfer und Zeugen der Vorfälle, die Anzeige erstatten wollen; Unterstützung von Betroffenen beim Umgang mit den Behörden (nur bei ausdrücklichem Wunsch der Betroffenen); mediale Veröffentlichung der Informationen über antisemitische Vorfälle (ausdrücklich anonymisiert und auf Wunsch der Betroffenen) zur Steigerung des Informationsniveaus der Bevölkerung. Einer der wichtigen Tätigkeitsbereiche der Stelle ist auch die Interaktion mit jüdischen Gemeinden, um ein vollständigeres Bild zu bekommen, Sammlung der Daten über Antisemitismus vor Ort und der faktischen Belege für die Bedürfnisse der Gemeinden auf dem Gebiet der Sicherheit mit dem Ziel der späteren Ausarbeitung effektiver Strategie und konkreter Handlungsschritte zur Bekämpfung der steigenden Judenphobie
Nach einer 30-minütigen Vorstellung der erst vor 1,5 Monaten in München gegründeten Stelle zur Bekämpfung von Antisemitismus wurden im Verlaufe des Treffens mit den Vertretern zahlreichen Fragen gestellt. Alle Vortragenden äußerten ihre Besorgnis über die Tatsache, dass der Antisemitismus zur konkreten Bedrohung des jüdischen Lebens in Deutschland wird und über die Gleichgültigkeit und Nichtbereitschaft der bürgerlichen Gesellschaft, den Antisemitismus zu bekämpfen.
Es wurden Gründe für den Anstieg des Antisemitismus im Europa in den letzten Jahren besprochen, der mit großer Zahl der neuen Einwanderer aus islamischen Ländern zusammenhängt, verschiedene Arten vom Antisemitismus wurden vorgestellt (der rechte, der linke, der als Israelkritik getarnte, der von Muslimen ausgehende usw.), auch wurden Probleme im Zusammenhang mit der aktuellen Migrationspolitik und der Integration der Flüchtlinge ausdiskutiert. Es wurde viel gesprochen über Antisemitismus im Kontext des Hasses gegenüber Israel, über die Notwendigkeit der Einleitung sofortiger Maßnahmen gegen die Verbreitung der antisemitischen Ideologie im Internet und in den sozialen Netzwerken; über die Bekämpfung von Antisemitismus, der von den in Deutschland lebenden antisemitisch gesinnten Muslimen ausgeht, die aus Syrien und anderen arabischen Staaten gekommen sind; über die Notwendigkeit, die muslimischen Gemeinden in Deutschland zum Kampf gegen Antisemitismus aufzurufen; über die Notwendigkeit Korrekturen der Unterrichtsprogramme (vor allem der Grundschule) und der Ausbildungsprogramme für Lehrer vorzunehmen, deren wesentlicher Teil die Sozialpsychologie und die Thematik des Antisemitismus werden sollen. Viele Fragen betrafen die Verantwortung für die Propaganda des Antisemitismus, die Befeuerung des Hasses und die Anstiftung zu Gewalttaten gegen Juden, die zweifellos sowohl die deutschen Medien und Politiker, als auch die europäische Gesellschaft als Ganzes zu tragen haben.
Der informelle Charakter des Treffens, der lebendige und freie Meinungsaustausch, das Interesse an dem besprochenen Thema machten das Treffen konstruktiv und nützlich für beide Seiten. Die Leiterin der Stelle Dr. Seidel-Arpaci und ihr Kollege Herr Schreiter mussten im Verlaufe des Treffens Antworten auf viele, manchmal sehr brisante Fragen finden, was ihnen zweifellos in der Zukunft helfen wird, die Probleme und Sorgen zu verstehen, mit denen heutzutage die jüdische Gemeinschaft in Schwaben und in Augsburg leben muss.
Vom ganzen Herzen möchte ich mich bei allen Teilnehmern des Treffens bedanken, insbesondere bei den Mitarbeitern der Gemeinde, der Rechtsanwältin Maria Roggenkamp für die hochqualitative Übersetzung während des Treffens, bei Inga Mokshanina, Mykhaylo Abramovych, Igor Markind, den Vorstandsmitgliedern: Isaak Urbach, Vladimir Razoumnyi und Arkadiy Lyubinskiy – für die aktive Teilnahme an der Besprechung der problematischen Fragen, die mit unterschiedlichen Ausprägungen des Antisemitismus zusammenhängen und auch bei Dmitry Tafel für die einwandfreie technische Unterstützung und dem Hausmeisterteam für die Vorbereitung des Raums. Ein besonderer Dank gilt dem Präsidenten der Gemeinde Herrn Alexander Mazo, der dieses Treffen initiiert hat.
Alexander Korolev Übersetzung:
Integrationsbüro Maria Roggenkamp